The Hill We climb

Amanda Gorman

Selbstbewusst, begeistert und mit innerer Überzeugung hat Amanda Gormann bei der Amtseinführung von Joe Biden Hoffnung auf eine bessere Welt verkündet. In ihrem Gedicht „The Hill We climb“ machte sie Mut, dass nach den schweren Zeiten in den USA eine gute Zukunft ihren Anfang finden werde. Das „schwarze Mädchen, Nachfahrin von Sklaven, das aufwuchs ohne Vater“, wie sie von sich selbst sagte, hoffte inbrünstig, dass ein neuer Morgen anbrechen werde und die Kluft zwischen jeder Lebensart, jeder (Rassen-)farbe, jeder Wesensart und Daseinsform verschwinden möge und sich alle Menschen die Hand reichen und Brücken bauen. Ihr Wunsch: 
Ein jeder sitze unter seinem Weinstock, seiner Feige,
und niemand möge jemand Angst bereiten.“
Zu ihrem neuen Präsidenten gerichtet, wünschte sie für sich und alle Menschen: „Wenn Macht und Mitleid sich verbinden und Macht und Recht zusammenfinden, wird Liebe sein, was wir vererben“.

 

Nachfolgend die Übersetzung des gesamten Textes:

 

Den Berg hinauf

An jedem Morgen wir uns fragen:

Wo scheint ein Licht im Schattendunkel, das nicht enden will?

Die Verluste zu ertragen,

das Meer, das es zu queren gilt.

Dem Bauch der Bestie haben wir getrotzt,

gelernt, dass Ruhe nicht gleich Frieden ist,

und Maß und Richtschnur dessen,

was gerade recht ist,

nicht stets Recht ist.

Und doch blüht uns ein neues Morgen,

ehe wir es kannten.

Wir haben es verstanden,

irgendwie überstanden und erkannten

uns als nicht am Ende,

doch als noch unvollendet.

Wir, die Erben eines Landes, einer Zeit,

in der ein mag’res, schwarzes Mädchen,

Nachfahrin von Sklaven, das aufwuchs ohne Vater,

von „Präsident sein“ träumen kann,

und dies nun einem vorzutragen, steht es an.

 

Gewiss, uns fehlt es noch am letzten Schliff,

sind nicht auf Exzellenz erpicht,

doch das heißt nicht,

wir mühten uns um Einheit in Vollkommenheit.

Wir mühen uns um Einheit in Sinnhaftigkeit,

ein Land zu formen, dem sich jede Lebensart und Farbe, jede Wesensart und Daseinsform kann anvertraun.

Blicken wir daher nicht auf das, was zwischen uns,

vielmehr auf das, was vor uns steht

und schließen dann die Kluft. Wir wissen dies:

Der Zukunft Vorrang einzuräumen,

heißt, vorher Differenzen auszuräumen.

Wir legen unsre Waffen nieder,

damit – entwaffnet –

wir die Hand uns reichen können,

und nie mehr Zwietracht sondern Eintracht leben.

Dies, wenn nichts And’res, sei der Welt verkündet,

dass selbst der Trauernde sich stärker wiederfindet,

dass, selbst im Schmerz, wir weiter hoffen,

dass, selbst ermüdet, wir uns weiter mühen,

dass wir als Sieger allzeit sind verbunden,

nicht, weil ein Scheitern gänzlich wär verschwunden,

jedoch, weil wir nie wieder Zwietracht säen.

 

Die Schrift sagt uns, wir soll’n uns derart sehen:

Ein jeder sitze unter seinem Weinstock, seiner Feige,

und niemand möge jemand Angst bereiten.

Und sollen unsrer eignen Zeit gerecht wir werden,

dann liegt der Sieg nicht in den Waffen, –

er liegt in all den Brücken, die wir schaffen.

Wir wollen uns zum Licht aufraffen:

den Berg hinauf,

falls wir das Wagnis teilen,

denn Amerikaner sein ist mehr, als Stolz zu erben,

es ist auch „Scherben“

der Vergangenheit zu „heilen“.

Wir haben eine Macht erlebt, die zwischen uns trieb Keile,

statt Macht zu teilen,

die unser Land zerstört und Volkes Herrschaft hätte fast bezwungen,

und dieses war beinah gelungen.

Doch wenn auch Volkes Herrschaft ist erschwert mitunter,

auf Dauer geht sie niemals unter.

Dieser Wahrheit,

diesem Glauben schenken wir Vertrauen.

Denn während wir die Augen auf die Zukunft richten,

wird die Geschichte unsre Taten sichten.

Dies ist die Zeit gerechten Ausgleichs für die Missetat.

Wir hatten Angst, als diese Zeit begonnen hat,

wir waren nicht gewappnet,

derart Schreckliches zu erben,

doch konnten wir dadurch die Kraft erwerben,

ein neu’ Kapitel zu verfassen,

und uns mit Hoffnung und mit Lachen einzulassen.

Und während wir uns damals fragten,

wie könnten wir die Katastrophe überwinden,

so können wir dies jetzt befinden:

Wie könnte s i e uns jemals überwinden?

 

Wir schreiten nicht zurück zu dem, was war,

was sein wird, sei mit Mut beschlossen:

Ein Land, das zwar getroffen, dennoch heil,

wohlwollend, aber frei,

kühn und entschlossen.

Wir werden uns nicht wenden lassen,

und keiner wird durch Drohung uns aufhalten,

wissen wir doch, dass unsre Trägheit, unser Unterlassen,

zum Erbe derer wird, die Kommendes gestalten,

denn unsre Fehler werden ihre Lasten.

Doch sei dies festgehalten:

Wenn Macht und Mitleid sich verbinden

und Macht und Recht zusammenfinden,

wird Liebe sein, was wir vererben –

und Wandel ein Geburtsrecht unsrer Erben.

 

Lasst uns ein Land den Erben hinterlassen,

das besser ist, als man es uns gegeben.

Denn jeder Atemzug in unserm Leben

sei dieser wunden Welt zu ihrem Besten.

Wir tun uns auf im goldbekränzten Hügelland im Westen,

wir werden uns im stürmischen Nordost erheben,

wo erstmals unsre Ahnen aufbegehrten,

wir tun uns auf im Städteraum der Großen Seen,

wir werden uns im sonndurchglühten Süden unsres Lands erheben,

um aufzubauen, zu gesunden und uns auszusöhnen

in jedem Winkel, welcher unserm Volk bekannt,

in jeder Ecke, die Amerika genannt.

Vielfältig, schön ist unser Volk und es wird neu,

wohl angeschlagen, dennoch schön erscheinen.

 

Kommt dann der Tag, entfliehen wir des Schattens Bann,

furchtlos, entflammt.

Ein neues Morgenlicht erblüht, wenn wir’s befrei’n.

Denn Licht scheint stets,

sind wir nur stark genug, zu sehn den Schein,

sind wir nur stark genug, selbst Licht zu sein.

 

Danke! 

 

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