Begegnungen
Ein Interview mit Herrn Emmert
Ein Mann reichte mir seine Hand, ohne mich zu kennen und stellte mich mit Liebe und Respekt der deutschen Gesellschaft vor. Er schenkte mir viel Zeit, Mühe und Gedanken.
Meine deutsche Sprache erlaubte es mir nicht, tiefer gehende Gespräche mit ihm zu führen. Trotzdem fühlte ich eine angenehme Harmonie und völlige Übereinstimmung mit ihm bezüglich unserer Gedanken und Gefühle.
Er ist für mich wie ein Licht auf einem dunklen Weg.
Ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein, lieber Herr Hans Emmert.
Wir werden zusammen über Ihre Auffassungen zu einigen kulturellen und gesellschaftlichen Angelegenheit sprechen.
2015 war ein besonderes Jahr für Deutschland und das deutsche Volk. Hielten Sie es für richtig, dass Deutschlands Türen für Flüchtlinge geöffnet wurden?
Ja, ich hielt diese Politik unserer Kanzlerin für richtig, denn sie war und ist ein Gebot der Humanität. Diese Politik steht in vollem Einklang mit der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, die das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als unveränderbares Grundrecht enthält. Außerdem ist die Nächstenliebe eines der wichtigsten Gebote nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam.
Dies bedeutet, dass Sie der Politik zugestimmt haben, die Grenzen für diese Menschen zu öffnen, die durch Krieg in Syrien in große Not geraten sind und um Leib und Leben fürchten mussten.
Ja, dieser Politik habe ich uneingeschränkt zugestimmt. Ich habe auch die Bereitschaft der allermeisten Menschen in unserem Land, die Flüchtlinge aufzunehmen und ganz konkret zu unterstützen und sie zu integrieren mit Freude und Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Allerdings war ich enttäuscht, dass nicht alle Länder in Europa gleichermaßen reagiert haben.
Was sagen Sie zu denen, die diese Idee ablehnten und sogar noch Hass gegen die Flüchtlinge verbreiteten?
Man sollte diese Menschen daran erinnern, dass auch Deutsche während des 3. Reiches aus Angst vor der Verfolgung der Nazis fliehen mussten und sehr froh waren, wenn sie in einem anderen Land Zuflucht fanden. Aber auch damals waren nicht alle Länder bereit, die deutschen Flüchtlinge, die ja Kritiker des Naziregimes waren, aufzunehmen. Unsere eigene Vergangenheit zwingt uns also nicht nur moralisch dazu, verfolgten Menschen zu helfen.
Denken Sie, dass der Krieg in Syrien ein ungerechter Krieg war?
Jeder Krieg, in dem Andersdenkende und Regimekritiker verfolgt werden, ist ungerecht.
Hat sich Ihre Einstellung zu Flüchtlingen nach fünf Jahren geändert?
Nein, sie hat sich nicht geändert, denn ich habe gesehen, dass die große Mehrheit der Flüchtlinge sehr dankbar für die ihnen gewährte Hilfe ist und sie sich mit aller Kraft in unserer Gesellschaft integrieren und arbeiten wollen. Sie sind auf diese Weise sehr wertvoll, ja unverzichtbar für die deutsche Gesellschaft, aber auch für die Wirtschaft.
Dabei ist es unsere Aufgabe, diesen Menschen stets mit Respekt und Toleranz zu begegnen, vor allem was die Ausübung religiöser Rituale anbelangt. Auch das ist in unserer Verfassung festgeschrieben. Die Religionsfreiheit ist ein elementares Grundrecht, das jedem zusteht.
Natürlich gibt es auch einige, auf die diese positive Bewertung nicht zutrifft. Aber solche Menschen gibt es in allen Kulturen und Ländern. Durch sie sollte man sich nicht in der genannten positiven Einschätzung beirren lassen.
Als Sie mir Deutsch beigebracht haben, wurde mir klar, dass Sie ein anderer Mann sind. Sie haben jemandem Hilfe angeboten, den Sie nicht kannten. Was war Ihr Motiv dafür?
Ich sehe mein Verhalten nicht als besondere Leistung an, sondern als ein ganz normales Verhalten, das aus meinem Glauben an unseren Staat und unsere Verfassung und auch aus meiner christlichen Überzeugung heraus resultiert. Übrigens sollte meiner Meinung nach jeder ernsthaft religiös denkende Mensch, egal, ob Christ, Muslim oder Buddhist etc., genauso denken und handeln.
Als ich Ihnen meinen Wunsch äußerte, eine Kunstausstellung zu veranstalten, die einige der Leiden der Syrer zeigt, waren Sie sehr bewegt und haben sich engagiert, die Ausstellung zu ermöglichen. Diese Begeisterung hatte einen großen Einfluss auf meine Gefühle und meine Denkweise. Habe ich Ihre Erwartungen erfüllt? Und haben die Ausstellungen einen guten Eindruck von der Tragödie in Syrien vermittelt?
Sie haben meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Als ich Sie damals ermutigte, Ihre schrecklichen Erlebnisse in Syrien durch Malen zu verarbeiten, konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass diese Bilder, die Sie dann mit großem Eifer malten, einmal so eine Kraft für Frieden, Liebe und Menschlichkeit ausstrahlen würden. Gleichzeitig vermitteln Sie sehr authentisch die Angst, die die Assad-Schreckensherrschaft bei Ihnen und Ihrer Familie auslöste. Eigentlich dachte ich, das Malen könnte für Sie eine persönliche Hilfe sein, das Erlebte zu überwinden. Aber es ist sehr viel mehr daraus entstanden, was ich nur bewundern kann. Ihre Bilder und Kunstprojekte sind zu einer wertvollen Botschaft für alle Menschen geworden. Gleichzeitig sind Sie jetzt ein Vorbild, aber nicht nur für mich, sondern für viele Menschen, für alle, die Ihre Bilder und Kunstwerke betrachten.
Corona hat einige unserer Projekte verzögert. Sind Sie optimistisch in Bezug auf die Zeit nach Corona?
Ich spüre und sehe, dass Sie noch viel vor haben und noch tolle Ideen haben, die wir gemeinsam in die Tat umsetzen können und werden. Corona hat manches gebremst, aber Ihre Botschaften kann man nicht aufhalten. Das Internet z. B. ist eine Möglichkeit, die wir nun vermehrt nutzen können, um für den Sieg des Friedens zwischen den Kulturen und Religionen einzutreten.
Wir haben viele Projekte abgeschlossen (übrigens sind alle hier auf dieser Seite). Das letzte davon war unser Buch (Hymne der Farben). Haben Sie Pläne für zukünftige Projekte?
Wir könnten noch weitere Projekte an Schulen mit den jungen Menschen machen. Auch ist ja geplant, die bisherigen Kunstprojekte als Wanderausstellung den Schulen anzubieten.
Abschließend danke ich meinem lieben Freund, Herrn Hans Emmert, der seit fünf Jahren nicht zu spät gekommen ist, um zu helfen. Und wir führen dieses Gespräch dank seines Vorschlags.